Warum Nachfolge in Familienunternehmen scheitert: Die 5 häufigsten Ursachen

Beitragsbeschreibung

Dr. Markus Dirr

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Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Viele Nachfolgeprozesse in Familienunternehmen scheitern nicht an fehlender Kompetenz, sondern an unsichtbaren Strukturen, ungeklärten Beziehungen und verdeckten Konflikten. Wenn der designierte Nachfolger nach mühsamer Vorbereitung doch nicht übernimmt, stehen alle Beteiligten vor einem Scherbenhaufen.

Im Buch „Lebenswerk mit Zukunft" beleuchtet Dr. Markus Dirr im Kapitel „Wenn der Nachfolger scheitert" die wahren Gründe hinter gescheiterten Übergaben. Als externer Geschäftsführer einer Management-Holding im Familienbesitz kennt er die Dynamiken aus erster Hand. Seine Erfahrungen zeigen: Das Scheitern ist oft der ehrlichste Spiegel, den ein Familienunternehmen je hatte.

Die Ursachen lassen sich in fünf zentrale Kategorien gliedern, die meist miteinander verwoben sind und sich gegenseitig verstärken.

1. Strukturelle Ursachen: Wenn Governance fehlt

Die häufigste strukturelle Schwachstelle sind fehlende oder mangelhafte Governance-Strukturen. Ohne klar definierte Entscheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten wird die Nachfolge zu einem unberechenbaren Prozess, der stark von einzelnen Persönlichkeiten abhängt. Ein besonders problematisches Szenario entsteht, wenn der Senior zwar offiziell die Verantwortung übergibt, aber inoffiziell weiterhin Entscheidungen trifft oder bereits getroffene Entscheidungen des Nachfolgers revidiert. Diese Form der Schattenführung untergräbt systematisch die Autorität des Nachfolgers.

Hinzu kommt oft eine mangelhafte Vorbereitung. Viele Unternehmenslenker unterschätzen die Komplexität ihrer eigenen Position und das implizite Wissen, das sie über Jahrzehnte angesammelt haben. Erfolgreiche Nachfolgen bedürfen typischerweise drei bis fünf Jahre sorgfältiger Vorbereitung – ein Zeitraum, der dramatisch unterschätzt wird.

2. Persönliche Ursachen: Kompetenz und Erwartungen

Nicht jeder Nachfolger bringt alle erforderlichen Kompetenzen mit – sei es in Führungsfragen, im strategischen Denken oder in branchenspezifischem Wissen. Der Respekt vor dem Lebenswerk des Seniors führt manchmal dazu, dass offensichtliche Kompetenzlücken nicht angesprochen werden.

Noch gefährlicher sind unrealistische Erwartungen auf beiden Seiten. Der Senior erwartet oft, dass der Nachfolger das Unternehmen einerseits genauso führt wie er selbst, andererseits aber gleichzeitig modernisiert und neue Impulse setzt – ein kaum auflösbarer Widerspruch. Der Nachfolger wiederum unterschätzt häufig die Komplexität von Veränderungsprozessen und die Widerstandskräfte im Unternehmen.

Ein unterschätzter Faktor ist die fehlende Identifikation mit dem Unternehmen. Wenn der Nachfolger das Unternehmen nur aus Pflichtgefühl übernimmt, aber innerlich nicht wirklich dahintersteht, wird dies früher oder später in seinen Entscheidungen und seiner Ausstrahlung sichtbar. Mitarbeiter und Kunden spüren diese fehlende Authentizität intuitiv.

3. Familiendynamische Ursachen: Die Last der Vergangenheit

Ungelöste Konflikte aus der Vergangenheit sind wie Zeitbomben im Übergabeprozess. Die jahrzehntelang geprägten Beziehungsmuster zwischen Eltern und Kindern lassen sich nicht einfach an der Bürotür abstreifen. Der Vater, der seinem Sohn nie wirklich vertraut hat, die Tochter, die um Anerkennung kämpfen musste – diese Muster setzen sich in der Übergabephase fort und verstärken sich unter dem Druck der Verantwortungsübergabe.

Mangelndes Vertrauen im Übergabeprozess ist oft Ausdruck unausgesprochener Ängste. Der Senior befürchtet, dass sein Lebenswerk beschädigt wird, und kann nicht wirklich loslassen. Der Nachfolger spürt dieses Misstrauen und reagiert entweder mit übertriebener Autonomie oder mit Unsicherheit – beides schadet dem Unternehmen.

In vielen Unternehmerfamilien gibt es Tabuthemen, die nicht offen angesprochen werden dürfen – sei es der Umgang mit Geld, ungelöste Konflikte oder emotionale Bedürfnisse. Diese dysfunktionalen Kommunikationsmuster setzen sich in der Unternehmensführung fort.

4. Marktbedingte Ursachen: Wenn sich die Welt zu schnell dreht

Der Digitalisierungsdruck erweist sich in vielen Branchen als Katalysator für Nachfolgekrisen. Wenn der Senior die digitale Transformation aufgeschoben hat, muss der Nachfolger sie unter Zeitdruck und oft gegen interne Widerstände umsetzen. Die damit verbundenen Investitionen und kulturellen Veränderungen können das Unternehmen zusätzlich belasten.

Branchenumbrüche stellen etablierte Geschäftsmodelle grundsätzlich in Frage. Der Nachfolger steht vor dem Dilemma: Festhalten am Bewährten mit dem Risiko, den Anschluss zu verlieren, oder radikaler Umbau mit dem Risiko, das Kerngeschäft zu beschädigen.

5. Das Praxisbeispiel: Wenn alles zusammenkommt

Dr. Dirr schildert ein mittelständisches Maschinenbauunternehmen, bekannt für hochwertige Spezialtechnik für die Lebensmittelindustrie. Der Gründer übergab nach sorgfältig geplanter Vorbereitung die Geschäftsführung an seinen Sohn, einen ausgebildeten Wirtschaftsingenieur mit Konzernerfahrung. Was auf dem Papier ideal aussah, geriet nach nur einem Jahr in eine ernste Krise. Der Sohn führte ein neues ERP-System ein, stellte die Produktentwicklung auf agile Methoden um und begann, das Vertriebsmodell zu digitalisieren. Die langjährigen Mitarbeiter verweigerten zunehmend die Mitarbeit und wandten sich bei Unstimmigkeiten direkt an den Senior. Der Vater unterminierte durch subtile Eingriffe die Autorität seines Sohnes. Hinter dem vordergründigen Konflikt stand ein ungelöster familiärer Konflikt: Zeitlebens hatte der Vater seinen Sohn kritisiert und ihm nie zugetraut, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Diese dysfunktionale Dynamik führte nach nur 14 Monaten zum Scheitern.

Warum der externe Blick entscheidend ist

Das Besondere an „Lebenswerk mit Zukunft" ist der konsequent externe Blick. Alle 14 Autoren sind externe Beobachter und Begleiter von Familienunternehmen. Sie sehen blinde Flecken, die den Beteiligten selbst nicht bewusst sind. Dr. Markus Dirr betont: „Der externe Blick auf das Scheitern bietet eine einzigartige Chance. Er ermöglicht eine distanzierte Analyse der Ursachen, eine sachliche Bewertung der Konsequenzen und die Entwicklung einer strategischen Perspektive für den zweiten Versuch."

Was Sie jetzt tun können

Wenn Sie vor einer Nachfolgeentscheidung stehen oder bereits mittendrin sind, ist es wichtig, die Frühwarnsignale zu erkennen. Achten Sie auf subtile Anzeichen von Problemen und handeln Sie frühzeitig, bevor die Situation eskaliert. Schaffen Sie emotionale Distanz, um Scheitern als Lernprozess zu sehen. Prüfen Sie Alternativen zur klassischen Familiennachfolge ohne Vorbehalte.

Den vollständigen Originalbeitrag „Wenn der Nachfolger scheitert" von Dr. Markus Dirr finden Sie im Buch „Lebenswerk mit Zukunft". Einen kostenlosen Auszug können Sie unter www.Lebenswerk-mit-Zukunft.de herunterladen.

Das Buch bietet nicht nur Analysen, sondern auch konkrete Handlungsempfehlungen für Eigentümer, Nachfolger und externe Geschäftsführer. Es zeigt authentische Wege aus den typischen Fallen der Nachfolge und gibt Ihnen den wertvollen externen Blick, der blinde Flecken aufdeckt.

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