Reverse Mentoring und Innovationskultur: Wie Family Offices zukunftsfähige Teams aufbauen

Von Vermögensverwaltern zu Innovationsmanagern: Wie Family Offices durch gezielten Kompetenzaufbau und kulturellen Wandel die nächste Generation einbinden und erfolgreich werden.

Dr. Markus Dirr

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Ein Family Office kann noch so viel Kapital haben – ohne die richtigen Kompetenzen und eine innovationsfreundliche Kultur wird es den Anschluss verlieren. Die Frage ist nicht ob, sondern wie der notwendige Wandel von der reinen Vermögensverwaltung zum aktiven Innovationsmanagement gelingen kann.

Dieser Beitrag basiert auf dem Kapitel "Unternehmerisch denken, ängstlich handeln? – Das Innovationsdilemma der Family Offices" von Ralph Jacoby und Dr. Markus Dirr aus dem Buch "Lebenswerk mit Zukunft". Die beiden Experten zeigen auf, wie Family Offices durch gezielten Kompetenzaufbau, kulturelle Veränderungen und die systematische Einbindung der nächsten Generation zukunftsfähig werden.

Das Kompetenzdefizit: Die unterschätzte Herausforderung

Innovation erfordert spezifische Kompetenzen, die in vielen Family Offices schlichtweg fehlen. Die meisten setzen auf klassische Vermögensverwalter, während Expertise für neue Technologien, digitale Geschäftsmodelle oder Venture Capital-Investments Mangelware ist.

Ein Family Office braucht Mitarbeiter, die Zukunftstechnologien verstehen – oder zumindest Austausch mit entsprechenden Experten haben. Die Rekrutierung ist allerdings eine Herausforderung: Top-Talente im Tech-Bereich werden oft von Start-ups oder großen Konzernen angezogen. Family Offices müssen attraktive Alternativen bieten.

Die professionelle Beurteilung und Steuerung von Risiken in verschiedenen Anlageklassen erfordert spezifische Kompetenzen. Deren Fehlen führt zur pauschalen Ablehnung von Investments, deren Risiken nicht unmittelbar verständlich sind. Dies ist eine der strukturellen Ursachen für die systematische Risikoaversion vieler Family Offices.

Systematisches Talent- und Kompetenzmanagement

Ein systematisches Kompetenzmanagement umfasst diversifizierte Rekrutierung (nicht nur klassische Vermögensverwalter, sondern auch Tech-Experten), kontinuierliche Weiterbildung in Zukunftstechnologien, strukturierte Wissenstransfer-Mechanismen sowie externe Expertennetzwerke. Nicht alle Kompetenzen müssen intern vorgehalten werden.

Reverse Mentoring: Wenn Junge die Alten schulen

Ein besonders wirksamer Ansatz ist das "Reverse Mentoring": Jüngere Mitarbeiter oder Familienmitglieder schulen die ältere Generation in Zukunftstechnologien. Dies baut nicht nur Wissen auf, sondern auch Vertrauen und überwindet Generationsbarrieren.

Ein Handels-Family Office etablierte systematisches Reverse Mentoring, bei dem jüngere Mitarbeiter Familienmitglieder in Technologiethemen schulten. "Anfangs waren wir skeptisch", berichtet ein Senior-Gesellschafter. "Aber die jungen Kollegen haben uns auf Augenhöhe mitgenommen und uns geholfen, die Potenziale neuer Technologien zu verstehen. Das hat unsere Diskussionen im Investment-Komitee grundlegend verändert."

Dieser Ansatz hat mehrere Vorteile: Er vermittelt nicht nur Wissen, sondern gibt der jüngeren Generation auch eine aktive Rolle und Wertschätzung. Gleichzeitig werden Berührungsängste abgebaut und ein Dialog auf Augenhöhe etabliert.

Innovative Kompetenz-Programme

Manche Family Offices entwickeln besonders innovative Ansätze: "Entrepreneurs in Residence"-Programme, bei denen erfahrene Unternehmer für 6-12 Monate spezifische Investmentthesen entwickeln, oder die Entsendung junger Familienmitglieder in Start-up-Acceleratoren für praktische Erfahrungen im Start-up-Ökosystem.

Innovations-Circle: Alle Generationen einbinden

Ein Family Office aus dem Baubereich hat einen besonders integrativen Ansatz gewählt und einen "Innovations-Circle" etabliert, in dem jedes Familienmitglied vertreten ist – unabhängig von Alter, Ausbildung oder aktiver Beteiligung am Family Office.

Dieser Circle trifft sich quartalsweise, um innovative Trends zu diskutieren, neue Investmentthesen zu entwickeln und bestehende Investments zu evaluieren. "Durch diese breite Einbindung haben wir nicht nur vielfältige Perspektiven gewonnen, sondern auch ein tieferes Verständnis und Engagement für Innovation in der gesamten Familie geschaffen", berichtet die Initiatorin des Formats.

Der Innovations-Circle hat mehrere positive Effekte: Er bindet die gesamte Familie ein, schafft Transparenz, fördert das gemeinsame Lernen und gibt auch weniger aktiven Familienmitgliedern eine Stimme. Gleichzeitig dient er als Plattform für den generationenübergreifenden Dialog.

Kooperationen: Innovation ohne alles selbst zu können

Strategische Kooperationen bieten effektive Alternativen: Co-Investments mit anderen Family Offices, Partnerschaften mit VC-Fonds, Universitätskooperationen oder Corporate Venturing. Ein Gesundheits-Family Office etablierte eine Partnerschaft mit einem Digital Health VC-Fonds – der Wissenstransfer über die finanzielle Beteiligung hinaus ist besonders wertvoll.

Kulturwandel: Mehr als nur Strukturen

Alle Strukturen und Programme nützen nichts ohne den notwendigen kulturellen Wandel. Eine innovationsfreundliche Kultur im Family Office zeichnet sich durch mehrere Merkmale aus:

  • Offenheit für neue Ideen und Bereitschaft, Bestehendes zu hinterfragen

  • Fehlertoleranz und Verständnis, dass nicht jedes Investment erfolgreich sein kann

  • Lernorientierung statt reiner Ergebnisorientierung

  • Generationenübergreifender Dialog auf Augenhöhe

  • Balance zwischen Respekt für die Vergangenheit und Gestaltung der Zukunft

Diese Kultur muss aktiv gestaltet und vorgelebt werden – insbesondere von einflussreichen Familienmitgliedern. Wenn Senioren Innovation propagieren, aber jede neue Idee kritisch hinterfragen, entsteht eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Die Rolle des externen Blicks

Das Buch "Lebenswerk mit Zukunft" bietet genau den objektiven, externen Blick, der für solche Transformationsprozesse unverzichtbar ist. Ralph Jacoby und Dr. Markus Dirr haben als Beirat bzw. externer Geschäftsführer zahlreiche Family Offices begleitet und wissen, wo die Herausforderungen liegen.

Die 14 Autoren des Buches vereinen über 300 Jahre Praxiserfahrung und zeigen authentisch auf, wie erfolgreiche Veränderungsprozesse gelingen. Sie bieten keine theoretischen Konzepte, sondern bewährte Praktiken aus der Realität – inklusive der Fehler, die man vermeiden sollte.

Den vollständigen Originalbeitrag findest du im Buch "Lebenswerk mit Zukunft" und einen kostenlosen Auszug findest du unter www.Lebenswerk-mit-Zukunft.de

Fazit: Innovation braucht Menschen und Kultur

Der Wandel vom Vermögensverwalter zum Innovationsmanager ist anspruchsvoll, aber notwendig. Family Offices, die in Kompetenzaufbau investieren, moderne Formate wie Reverse Mentoring nutzen und einen echten Kulturwandel anstoßen, positionieren sich erfolgreich für die Zukunft.

Die systematische Einbindung aller Generationen, der Aufbau notwendiger Expertise und die Etablierung einer innovationsfreundlichen Kultur sind keine optionalen Zusatzaktivitäten. Sie sind Voraussetzungen dafür, dass Family Offices ihren strukturellen Vorteil – den langen Atem – tatsächlich nutzen und das Vermögen nicht nur erhalten, sondern für kommende Generationen mehren können.

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