Leadership in Familienunternehmen: Warum es ein zutiefst menschliches Unterfangen ist
Leadership ist mehr als Management. Erfahren Sie, warum Selbstführung, Kreativität und Leidensfähigkeit die entscheidenden Faktoren für erfolgreiche Nachfolge sind.
Dr. Markus Dirr
4 min lesen
In einer Zeit, in der Familienunternehmen vor enormen Herausforderungen stehen – instabile Lieferketten, aufgeblähte bürokratische staatliche Akteure und die Machtkonzentrationen der Digitalisierung – wird Leadership zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Doch was unterscheidet Leadership von Management? Und warum ist diese Unterscheidung gerade in der Nachfolge so wichtig?
Prof. Dr. Markus Grottke, Experte für Nachfolge, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und KI in Familienunternehmen, zeigt in seinem Beitrag „Führung, Werte, Wandel: Wie Familienunternehmen im Rahmen der Nachfolge das Leadership-Modell für sich neu erfinden müssen" aus dem Buch „Lebenswerk mit Zukunft", warum Leadership der personenzentrierte Aspekt von Führung ist und welche menschlichen Qualitäten Nachfolger entwickeln müssen.
Leadership versus Management: Der entscheidende Unterschied
Leadership wollen wir im Kontrast zum Management als den personenzentrierten Aspekt von Führung durch Mitarbeiterführung, aber auch Selbstführung begreifen. Dies ist insofern bedeutsam, als dass nur gegen diesen Hintergrund deutlich wird: Es handelt sich hier um kein technisches Unterfangen, sondern um ein zutiefst menschliches.
Während Management sich mit Prozessen, Strukturen und Systemen befasst, geht es bei Leadership um Menschen – ihre Motivation, ihre Entwicklung, ihre Bindung an das Unternehmen. In Nachfolgeprozessen wird dieser Unterschied besonders deutlich: Die besten Prozesse nützen nichts, wenn die Menschen nicht mitgehen.
Die zwei entscheidenden Fähigkeiten: Kreativität und Leidensfähigkeit
Nachfolge heißt weit mehr als nur auf jemanden anderen zu folgen – es bedeutet, bereit zu sein, eine Nachfolge mit all ihren Schwierigkeiten unter Einbringung des ganzen Menschen anzutreten. Insbesondere bedarf es hierzu der Selbstführung, das heißt der Vorbildfunktion des Nachfolgenden auch in schwierigen Zeiten. Dies beinhaltet insbesondere zwei Fähigkeiten: Kreativität einerseits sowie Leidensfähigkeit andererseits.
Kreativität und unternehmerische Findigkeit benötigt es im Sinne der Schaffens- und Erlebniswerte – die Fähigkeit, die extern zu einem guten Teil mitverursachten Gegebenheiten so zu gestalten, dass sie für das Unternehmen, aber auch das Netzwerk, in welches das Unternehmen eingebettet ist, gut ausgehen.
Kreativität bedeutet in diesem Kontext:
Neue Lösungen für alte Probleme finden: Nicht in bewährten Mustern verharren, sondern offen für Innovation sein
Chancen in Krisen erkennen: Auch schwierige Situationen als Möglichkeit zur Weiterentwicklung sehen
Unkonventionelle Wege gehen: Bereit sein, etablierte Pfade zu verlassen
Netzwerke kreativ nutzen: Kooperationen und Partnerschaften strategisch entwickeln
Leidensfähigkeit als unterschätzte Führungsqualität
Leidensfähigkeit im Sinne der Einstellungswerte bedarf es, um zu zeigen, dass ein Stehen zu dem Unternehmen auch dann gegeben ist, wenn man damit zuweilen alleine steht. Denn ein Unternehmen hat immer Zeiten, in denen Mitarbeitende wenig Gründe haben, zu diesem Unternehmen zu stehen – Zeiten, in denen Mitarbeitende Orientierung brauchen, die sie anderweitig bindet, weil die Sachargumente einer Bindung an das Unternehmen verlorengegangen sind.
Gerade hier braucht es sinnorientierte Leadership, weil Sinn das Potential aufweist, auch dann zu binden, wenn andere Bindungsmechanismen nicht mehr verfügbar sind. Auch und wahrscheinlich gerade dies benötigt ein Nachfolger und muss es lernen, bevor er die Nachfolge antritt. Denn schon während des Wandelprozesses in die Personalisierung des Familienunternehmens auf den neuen Nachfolger wird genau diese Eigenschaft relevant werden.
Leidensfähigkeit zeigt sich konkret in:
Durchhaltevermögen in Krisen: Auch in schwierigen Zeiten zu den Werten und zur Vision stehen
Authentizität unter Druck: Nicht opportunistisch handeln, sondern integer bleiben
Bereitschaft, unbequeme Entscheidungen zu treffen: Auch dann führen, wenn es Widerstand gibt
Resilienz entwickeln: Rückschläge verkraften und gestärkt daraus hervorgehen
Einsamkeit an der Spitze ertragen: Die Last der Verantwortung tragen können
Selbstführung als Grundlage für Mitarbeiterführung
Bevor ein Nachfolger andere Menschen führen kann, muss er sich selbst führen können. Selbstführung bedeutet: Die eigenen Emotionen, Reaktionen und Verhaltensmuster verstehen und steuern. Es bedeutet, authentisch zu sein und gleichzeitig professionell zu agieren. Es bedeutet, Vorbild zu sein in dem, was man von anderen erwartet.
Praktische Dimensionen der Selbstführung umfassen:
Klarheit über eigene Werte: Wofür stehe ich? Was ist mir wirklich wichtig?
Emotionale Regulation: Auch in stressigen Situationen ruhig und besonnen bleiben
Kontinuierliche Reflexion: Regelmäßig die eigene Führungsrolle hinterfragen
Persönliche Weiterentwicklung: Bereit sein, selbst zu lernen und zu wachsen
Work-Life-Balance: Auf die eigenen Ressourcen achten, um langfristig leistungsfähig zu bleiben
Menschen gewinnen und halten durch Sinn
Bei den Ausführungen zur gelingenden Nachfolge folgen wir dem Ansatz von Simon Sinek, in die drei Dimensionen des Warum, des Wie und des Was zu unterscheiden. Der Hintergrund ist: Es gilt, Menschen zu gewinnen und zu halten, denn sie werden es sein, die über Wohl und Wehe des Familienunternehmens entscheiden, indem sie bereit sind, Extrameilen zu gehen.
In einer digitalen Welt mit zahllosen Beschäftigungsoptionen reichen Gehalt und Sicherheit allein nicht mehr aus, um talentierte Menschen zu binden. Es braucht Sinn – und es braucht Leadership, das diesen Sinn authentisch verkörpert und vermittelt. Das ist die zentrale Aufgabe des Nachfolgers: Nicht nur das Unternehmen zu führen, sondern Menschen für eine gemeinsame Vision zu begeistern.
Die Herausforderungen der Gegenwart meistern
Die Verantwortungsübernahme durch die hinter Familienunternehmen stehenden Familien ist heute aus nicht nur einer einzigen Perspektive gefragt. Die zunehmend instabile Welt, aufgeblähte bürokratische staatliche Akteure und die Begehrlichkeiten nach erhöhten Steuern und Abgaben erfordern Leadership, das über reines Management hinausgeht.
Es braucht Führungspersönlichkeiten, die nicht nur rational analysieren, sondern auch emotional inspirieren können. Die nicht nur Prozesse optimieren, sondern auch Sinn stiften. Die nicht nur verwalten, sondern gestalten. Dies ist die Essenz von Leadership in Familienunternehmen – ein zutiefst menschliches Unterfangen.
Den vollständigen Originalbeitrag von Prof. Dr. Markus Grottke findest du im Buch „Lebenswerk mit Zukunft" und einen kostenlosen Auszug findest du unter www.Lebenswerk-mit-Zukunft.de
Was „Lebenswerk mit Zukunft" besonders wertvoll macht: Das Buch vereint wissenschaftliche Tiefe mit praktischer Relevanz. Prof. Dr. Grottke verbindet die Sinnforschung von Viktor Frankl mit modernen Leadership-Ansätzen und den spezifischen Herausforderungen der Digitalisierung. Als Prorektor für Innovation und duales Studium sowie Co-Autor des Standardwerks „Digitalisierung und künstliche Intelligenz in Familienunternehmen" bietet er fundierte Perspektiven auf sinnorientierte Führung in der digitalen Transformation. Das Buch ist mehr als Theorie – es ist ein Wegweiser für Nachfolger, die Leadership neu denken wollen.
Familienunternehmen führen, entwickeln und erfolgreich übergeben
14 Experten teilen Erfahrungen für erfolgreiche Nachfolge, Führung und Unternehmensentwicklung


Familienunternehmen führen, entwickeln und erfolgreich übergeben
Lebenswerk mit Zukunft
Familienunternehmen führen, entwickeln und erfolgreich übergeben
