Familie und Unternehmen: Warum zwei Systeme oft zur Zerreißprobe werden

Familienunternehmen stehen im Spannungsfeld zwischen emotionaler Bindung und wirtschaftlicher Leistung. Wie Sie den Systemkonflikt bei der Nachfolge erfolgreich meistern und Strukturen schaffen, die beide Welten vereinen.

Dr. Markus Dirr

3 min lesen

Familienunternehmen sind emotionale Gefüge – Doppelwesen, in denen Unternehmenslogik mit Familiendynamik verschmilzt. Diese Überlagerung macht sie stark und zugleich verletzlich. Gerade in der Nachfolge wird dieser Systemkonflikt zur größten Herausforderung für die Zukunft des Unternehmens.

Dieser Blogbeitrag basiert auf dem Kapitel "Die Gleichheits-Falle: Warum faire Anteile oft zu unfairen Konflikten führen" von Dr. Lara Aumann aus dem Buch "Lebenswerk mit Zukunft". Dr. Aumann ist promovierte Psychologin und externe Beraterin für Generationenübergänge in Familienunternehmen mit jahrelanger Erfahrung an der Schnittstelle zwischen Familie und Unternehmen.

Das Unternehmenssystem orientiert sich an Leistung und Zuständigkeit. Entscheidungen folgen Kompetenz, Zahlen und Strategie. Das Familiensystem lebt von Zugehörigkeit und emotionaler Sicherheit. Hier zählen Loyalität und gefühlte Gerechtigkeit oft mehr als objektive Leistung. Wenn diese beiden Welten aufeinandertreffen, entstehen Spannungen, die ohne klare Strukturen zum Scheitern der Nachfolge führen können.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Nur 30 Prozent der Familienunternehmen überleben die zweite Generation, lediglich 12 Prozent die dritte. Die Hauptursachen liegen dabei nicht in fehlenden rechtlichen oder steuerlichen Regelungen, sondern in der Familie selbst – in unklaren Rollen, emotionalen Altlasten und dem Schweigen über zentrale Fragen wie Eignung und Verantwortung.

Warum scheitern so viele Nachfolgen? Die Antwort liegt im Systemkonflikt: Während das Unternehmen eine kompetenzbasierte Übergabe braucht, wirken familiär oft alte Rollenzuschreibungen, Konkurrenz zwischen Geschwistern und das Bedürfnis, niemanden zu verletzen. Die Folge sind gut gemeinte, aber strukturell fatale Entscheidungen, die weder dem Unternehmen noch der Familie dienen.

Sätze wie "Das war bei uns schon immer so", "Ich bin doch der Älteste" oder "Sie war Papas Liebling" stammen aus der Familienvergangenheit und wirken doch in die Unternehmenszukunft hinein. Emotionale Altlasten werden zu unsichtbaren Mitentscheidern, wenn es um Nachfolge und Führung geht. Viele Unternehmer sehen in der Nachfolge vor allem eine juristische oder steuerliche Aufgabe, doch dieser Blick greift zu kurz.

Erfolgreiche Nachfolge beginnt nicht mit Verträgen, sondern mit Klärung. Noch vor der juristischen oder steuerlichen Gestaltung braucht es offene Gespräche über drei zentrale Fragen:

  • Wer ist tatsächlich bereit und geeignet, Verantwortung zu übernehmen?

  • Welche Rolle will und kann jedes Familienmitglied einnehmen?

  • Welche Strukturen braucht es, damit diese Rollen klar und verbindlich verankert sind?

Gerade die Frage nach der tatsächlichen Eignung wird oft umschifft – aus Rücksicht, Angst vor Kränkungen oder einem falsch verstandenen Gerechtigkeitsideal. Der Wunsch vieler Eltern, alle Kinder gleich zu behandeln, ist nachvollziehbar, aber selten funktional. Denn was Kinder unterscheidet, sind nicht nur Kompetenzen, sondern auch ihre Bereitschaft, Verantwortung zu tragen.

Ein Unternehmen kann es sich langfristig nicht leisten, Beteiligung an Menschen zu vergeben, die sich nicht einbringen wollen oder können. Gleichheit ist in diesem Kontext nicht Gerechtigkeit. Jedes Kind hat eigene Bedürfnisse, Fähigkeiten und Interessen. Wer das ignoriert und Gleichheit mit Fairness verwechselt, riskiert Konflikte, die tief in familiäre Beziehungen und betriebliche Prozesse eingreifen.

Die erfolgreiche Bewältigung dieses Systemkonflikts erfordert externe Unterstützung und professionelle Begleitung. Familien, die frühzeitig moderierte Gespräche führen und dabei beide Systemlogiken berücksichtigen, schaffen die Grundlage für eine Nachfolge, die sowohl das Unternehmen sichert als auch die Familie stärkt.

Nur wer beide Systeme versteht – das emotionale der Familie und das leistungsorientierte des Unternehmens – kann den Übergang erfolgreich gestalten. Es geht nicht darum, ein System über das andere zu stellen, sondern beiden gerecht zu werden durch klare Strukturen, offene Kommunikation und den Mut, auch schwierige Fragen zu stellen.

Den vollständigen Originalbeitrag von Dr. Lara Aumann findest du im Buch "Lebenswerk mit Zukunft" und einen kostenlosen Auszug findest du unter www.Lebenswerk-mit-Zukunft.de

Warum dieses Buch besonders ist: "Lebenswerk mit Zukunft" vereint den externen Blick von 14 erfahrenen Experten, die hunderte Nachfolgeprozesse begleitet haben. Statt theoretischer Modelle erhältst du authentische Einblicke in die wahren Herausforderungen von Familienunternehmen – mit konkreten Handlungsempfehlungen für Eigentümer, Nachfolger und externe Geschäftsführer.

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